3:0 für uns.
07:30. Wir sind nicht mehr die ersten beim Frühstück. Aus bislang unbekannten Gründen haben wir gestern nochmal die doppelte Anzahl an Breakfastcoupons bekommen, dass theoretisch eine hobbiteske Nahrungsaufnahme möglich wäre. 2. Frühstück, 11:00 Imbiss? Erstmal nen Lachsbagel bevor wir ein wenig tiefer in die Planung und den Bundesligasonntag einsteigen. Wir buchen den ersten Campingplatz für übermorgen an einem Fluss etwa 2-3 Stunden außerhalb von Vancouver. Währenddessen geht Guirassy seiner Hauptbeschäftigung nach und Dortmund holt die ersten drei Punkte der Saison. Das ist Balsam für die Fußballseele, mussten wir doch letztes Wochenende herbe Enttäuschungen verkraften, sowohl aus Dortmunder, als auch aus Bochumer Sicht. Und das ganze noch in Gelsenkirchen zu verfolgen hat die Sache nicht besser gemacht.
Wir planen noch ein bisschen vor uns hin bevor wir uns Downtown Vancouver weiter zu Gemüte führen. Bisher haben wir uns noch nicht ausreichend mit dem Thema “Thrift Shopping” auseinandergesetzt, was wir jetzt ändern. Kein Vergleich zu Chicago seinerzeit, klar - aber wir erstehen ein paar kurze Hosen bevor wir eine große Runde durch den Südhafen drehen. Nach einem ausgezeichneten Cappuccino besuchen wir den chinesischen Garten.
Mittleres Highlight. Kann man machen, ist aber eher langweilig. Botanischer Garten Ruhr - Uni ist mindestens Gleichwertig, aber weißte ja vorher nicht. Trotzdem eine kleine, nette Oase inmitten der Wolkenkratzer. Nach einem kurzen Mittagessenlanden wir wieder in Gastown. Offensichtlich ist das der kulturelle Meltingpoint der Stadt und heute, am Sonntag, sind hier mehrere Straßen gesperrt und überall spielen DJs, es gibt Angebote für Kinder, die Sonne scheint und einfach jeder hier ist gut drauf. Wir stöbern ein wenig durch einen extrem gut sortierten Vinylshop, ich finde im Herschelstore noch ein Shirt und wir stellen fest, dass die Lebensqualität hier offensichtlich schon ziemlich, ziemlich hoch ist.
Naja, wobei - es ist auch augenfällig, dass es vielen Menschen hier nicht besonders gut geht. Drogen scheinen auch hier, ähnlich wie in den USA, ein echtes Problem zu sein. Und dabei spreche ich nicht von Alkohol oder Cannabis, wobei zweiteres sich geruchstechnisch immer mal wieder bemerkbar macht - überall am Straßenrand sitzen Menschen mit Crackpfeifen, man sieht Spritzbesteck auf dem Boden liegen und offensichtlich spielt auch Fentanyl hier eine größere Rolle. Gedealt wird meistens ohne den Versuch, es heimlich zu tun. Auch der Konsum erfolgt bisweilen in Sichtweite der Polizei. Vielleicht war es Wunschdenken, dass sich Kanada in dem Punkt grundsätzlich von den USA unterscheidet. Wo wir schon bei dem Vergleich sind - auch die Karren hier erinnern in vielen Teilen eher an Traktoren als an klassiche PKWs. Zum ersten Mal sehen wir Cybertrucks in echt. Und im ernst - was für hässliche Stahltonnen sind das denn? Drei elektrisch betriebene Tonnen die versuchen so zu wirken, als kämen sie aus dem nächsten Jahrhundert. Aber erstaunlich leise.
Wir pausieren bei einer kleinen Bühne wo ein Typ Johnny Cash auf Gitarre spielt. Der ist gut. Ein Lager später sitzen wir wieder auf der Mauer zum Wasser, schauen über Stanley Park und beobachten, wie die Sonne langsam die Stadt und die umliegenden Berge in goldenes Licht taucht. Davor startet mal wieder ein Wasserflugzeug und wir fragen uns, wie es sich wohl anfühlt mit so einem Ding auf dem Wasser zu landen. Ob einen das so richtig aus dem Sitz reißt wenn man aufsetzt? Sowohl der Start als auch die Landung sehen maximal faszinierend aus. Und ich glaube selbst wenn einem hier in der Luft der Motor ausfällt kann dir mit den Kufen und einer von Wasser umgegeben Stadt eigentlich nicht viel passieren.
Den ganze Spaß hier mal von oben zu sehen muss sich echt lohnen, gerade bei dem Wetter. Naja, was soll ich sagen. Am Pier finden wir eine junge Dame die uns zwei Tickets ausstellt und um 18:00 sitzen wir mit 5 Leuten hinter einem Typen in weißer Uniform und 3 Streifen auf der Schulter.
Wir kriegen das Grinsen beide nicht mehr aus dem Gesicht. Es ist magisch. Als das Flugzeug startet und wir langsam an Höhe gewinnen ist der Ausblick phänomenal. Deskriptives Rumgebrabbel spare ich mir aus Zeitgründen an dieser Stelle, seht selbst.
Eine gute halbe Stunde später sind wir zurück und setzen uns auf die nächste Plaza wo jemand Ed Sheeran covert, vor der Skyline alleine mit seiner Gitarre. Die Sonne steht jetzt tief und wir beschließen, dass ein kühles Bier jetzt eine sinnvolle Entscheidung sein dürfte. Übrigens: Das kanadische Lager hier kannste echt trinken. Klar, die Maßeinheiten in Pints und Unzen ist irgendwie verwirrend aber wenn man darüber hinweg sieht reicht ein “Could we get two Lager?” in der Regel für die maximale Zufriedenheit aus. Anschließend gehts noch in eine multigeile Pizzeria bevor wir den Rückweg ins Hotel antreten. Geiler Tag. Das hat einfach ganz viel Spaß gemacht. Achja, fast vergessen: Im Hotel überlegen wir uns auch noch einmal unseren Bezug zu Flüssigkeitsangaben in kühler Form zu vertiefen und setzten uns nochmal in den Gastrobereich. Es sind noch 3 -4 andere Gäste da und die Kellnerin lässt uns wissen, dass sie jetzt gleich die letzte Runde machen wollen. 21:30 auf einen Sonntagabend. Fair.
Während wir uns also einigermaßen zügig in der ruhigen Lobby daran machen dem Personal einen pünktlichen Feierabend zu ermöglichen, passiert das, was für uns schon zwar unschön, für das Servicepersonal allerdings die Hölle sein musste.
Renter. Aber nicht Singular. Rentners. Eher Plural. Und zwar Plural Maxima. Von unserem Platz aus lassen sich durchaus Vergleiche zu Animal Planet ziehen, wo sich ein Schwarm Heuschrecken, die Sonne verdunkelnd über Ihre Beute hermachen. Offensichtlich hat sich die ungarische Reisegruppe mit einem Durchschnittsalter von 104 Jahren soeben entschlossen nochmal auf die Rolle zu gehen. Ich fühle mich zurückversetzt in die letzte Runde Zombicide mit meinen Schwestern und Cousins. Nur gibt’s hier keine Abgesägte und keine Kettensäge. Cooles Spiel, es geht vor allem darum Zombies, Schlurfer und Fettis zu eliminieren. Aber das ist nur ein Spiel.
Es werden Stühle gerückt, Tische verschoben, die ganze Lobby wird überrannt, der Balkon füllt sich, die Terrasse wird besetzt und nur mit etwas Übertreibung schätze ich die Invasoren auf mehrere Zehntausend. In der Geschichte hier sind wir Gallien. Als wir unser Bier geleert und einen Korridor zur Bar sehen nutzen wir unsere Chance. Die Kellnerin fragt uns, ob wir nicht noch was trinken wollen. Vermutlich sucht sie Verbündete in dieser harten Zeit aber wir sind der Herausforderung nicht gewachsen. Wir fragen nach, ob sie damit gerechnet hat. Kopfschütteln. Leichte Panik in ihren Augen. Wir wünschen ihr von Herzen alles Gute, “the best of Luck” und flüchten. Nichts gegen Renter im Allgemeinen und auch keine Altersdiskminierung, nur als Disclaimer an dieser Stelle - aber: ihr wart nicht dabei.