10th Jaspernation.

Der nächste Morgen beginnt mit einer ausgedehnten Konversation mit den Nachbarn. Drei Minuten nach dem Aufstehen ist eher die Zeit wo ich noch nach den Worten meiner eigenen Sprache fahnde aber die beiden Rentner sind in Quatschlaune. Sie waren ja auch schonmal in Deutschland auf diesem großen Fluss mit den Burgen, von Amsterdam nach Budapest mit dem Schiff und der Nichte und es war der schönste Urlaub aller Zeiten und alles so schön günstig. Jau. Wer von hier kommt genießt allenernstes eine Rheinfahrt? Und all die Burgen und Schlösser! Ja, hatten wir schon. „While he was on a trip to BMW I really wanted to go for a brewery. Guess I had the better experience!“ Okidoki, kann ich nachvollziehen, aber ich bräuchte dringend erstmal nen Kaffee.

Als Mario aufsteht besuchen wir das Office des Platzes um uns nachträglich zu registrieren. Wieder eine hyperfreundliche, ältere Dame die ein wenig Yoda-Vibes mitbringt. „Found your place you already have! Hahaha. Good. Good!“ Wir holen uns Münzgeld für die Waschmaschine, heben Geld ab und werfen unsere inzwischen hochgradig kontaminierten Klamotten in die Trommel. Der Platz lichtet sich, während wir uns Bagles mit Creamcheese basteln. Tomate drauf, bisschen Gurke, Pfeffer, Salz und schon fühle ich mich wie ein Sternekoch.

Bald darauf sind wieder auf der Straße Richtung Jasper. Wir sind gespannt was uns erwartet, so gehört Jasper doch eigentlich zu den schönsten Ortenin den nördlichen Rocky Mountains. Letztes Jahr wurde jedoch durch einen Waldbrand ein Großteil der Stadt und auch der umliegenden Wälder verwüstet. Auf dem Weg fängt es zum ersten Mal an zu regnen. „Penny Laaaane is in my eeaaar and in my eyes“ donnert es aus dem Radio während der Regen auf die Frontscheibe prasselt. Ich bin endlich mal wieder in der Echtzeiterzählung angekommen.

Verleitet natürlich zum faseln - wobei sich das jetzt auch mit dem Regen wieder erledigt hat und sich am Horizont die Schneebedeckten Berggipfel inkl. Gletscher abzeichnen. Wow. Das ist einfach so mächtig. Mit unserer V8 Kombination aus Lärmbelästigung und erhöhtem Verbrauch geht es also nun durch die Berge. Also noch mehr Berge als bisher. Alles sieht hier sieht komplett Postkarte aus.

Ach schau, Bild in Text geht auch.

Heute ist mal Zeit für ein paar Klassiker, bei Queen, Somebody To Love, Live`82 muss sich der Gegenverkehr auch berechtigte Sorgen um unsere geistige Unversehrtheit machen schätze ich. Ballert einfach die Nummer. Beast of Burden hinterher. Dann dürfen John, Paul, Ringo und George nochmal mit dem Friedrich Merz Vorschlag „8-Tage-Woche“ ran. The Cure, The Who und ein bisschen Nirvana - die Playlist bastelt sich heute von selber. Irgendwie schade, ich glaube es muss ganz cool gewesen sein in einer Zeit mit solchen Größen aufgewachsen sein. Ich weiß, wir reden hier über ein paar Jahrzehnte aber besser Pink Floyd als erste Liveerfahrung als Revolverheld.

Währenddessen wechseln wir auf der 16 von B.C. rüber nach Alberta, Zeitverschiebung inklusive. Von -9 auf -8 Stunden.

Wenig später wechselt auch das Landschaftsbild. Aus üppigem Grün werden schwarz-graue verkohlte Stämme, soweit das Auge reicht. Jasper erinnert in Teilen an Bad Neuenahr Ahrweiler 2021, überall stehen Bagger und Trucks, viele Schäden sind offensichtlich noch längst nicht behoben. Am 22. Juli 2024 entstanden bei einem Gewitter drei kleinere Waldbrände die sich nach ein paar Tagen zu einem großen Feuer entwickelten. Es dauert bis zum 07. September, also heute auf den Tag genau vor einem Jahr bis das Feuer unter Kontrolle war. Die Stadt Jasper ist zu über der Hälfte zerstört, insgesamt fallen dem Brand 32.000 Hektar Wald zum Opfer. Wer List hat das in Fußballfelder umzurechnen ist herzlich eingeladen das zu tun - Spoiler: Einige.

Wir parken am Straßenrand und gehen was essen. Wetter ist so lala und hier zu stehen in Mitten einer völlig distopischen Szenerie lässt einen nicht kalt. Neben uns stehen die ausgebrannten Zapfsäulen von dem was mal eine Tankstelle war. Devastating ist der englische Ausdruck für die Situation hier nehme ich an. Wir suchen die Touristeninfo auf und besorgen uns eine Karte, wenig später sind wir unterwegs zu einem kleinen See außerhalb des Wildfire Gebiets.

Auf dem kleinen Track liegt ein See, an dem wir ein wenig verweilen und zwei Elchen zuschauen, die auf der anderen Seite des Weihers chillen. Als es dunkel wird und wieder anfängt zu regnen machen wir uns auf den Weg zu unserem Campingplatz, den wir dieses mal sinnvollerweise vorgebucht haben.

Zwischendurch noch eben Tanken, und wieder mal fix 200$ losgeworden. Der Tiger hat Hunger. Am Campground angekommen stehen wir erstmal ne halbe Ewigkeit an der Registration, was hier so lange dauern kann weiß nur Gott. Abwechselnd schieben wir mittelgroße Wutanfälle auf vorausfahrende Autos und die Info. „Ja, wirklich? Malst du da jetzt jedem mit Textmarker noch ein Bild zum Abschied? Ich werds mir nicht zuhause an den Kühlschrank hängen!“ höre ich vom Fahrresitz. Irgendwann sind wir dran und wir verstehen warum das alles so lange dauert, die Tante am Schalter erzählt uns ihre halbe Lebensgeschichte. Mario reagiert immer so ein bisschen wie Furious Pete oder wie der Vater bei Wolf of Wallstreet heißt - regt sich erst tierisch auf und ist dann im Hands Up really handsome. Doch selbst er hat sich irgendwann drei mal höflich bedankt und lässt den „Wagen“ an. Paar Minuten später stehen wir auf A19 und haben ein Lagerfeuer an. Überall anders verboten, hier nicht. Feuerholz gibt’s gratis. Was soll hier auch noch brennen? Wir planen den nächsten Tag und gehen früh schlafen.

FYI: https://www.reuters.com/pictures/jaspers-burnt-landscape-aerial-photos-reveal-wildfire-devastation-canadian-town-2024-08-21/

Guten Start in die Woche!

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—>11. Star Wars zu Fuß.

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9.5 - Selfie Story. Nonchronological.